Poems Without Frontiers

Poems in Translation

Johann Wolfgang von Goethe







Das Blümlein Wunderschön
Johann Wolfgang von Goethe

Lied des gefangenen Grafen

Graf
Ich kenne ein Blümlein Wunderschön
Und trage danach Verlangen;
Ich möcht es gerne zu suchen gehn,
Allein ich bin gefangen.
Die Schmerzen sind mir nicht gering;
Denn als ich in der Freiheit ging,
Da hatt ich es in der Nähe.

Von diesem ringsum steilen Schloß
Laß ich die Augen schweifen
Und kanns vom hohen Turmgeschoß
Mit Blicken nicht ergreifen;
Und wer mirs vor die Augen brächt,
Es wäre Ritter oder Knecht,
Der sollte mein Trauter bleiben.

Rose
Ich blühe schön, und höre dies
Hier unter deinem Gitter.
Du meinest mich, die Rose, gewiß,
Du edler, armer Ritter!
Du hast gar einen hohen Sinn,
Es herrscht die Blumenkönigin
Gewiß auch in deinem Herzen.

Graf
Dein Purpur ist aller Ehren wert
Im grünen Überkleide;
Darob das Mägdlein dein begehrt
Wie Gold und edel Geschmeide.
Dein Kranz erhöht das schönste Gesicht;
Allein, du bist das Blümchen nicht,
Das ich im stillen verehre.

Lilie
Das Röslein hat gar stolzen Brauch
Und strebet immer nach oben;
Doch wird ein liebes Liebchen auch
Der Lilie Zierde loben.
Wems Herze schlägt in treuer Brust
Und ist sich rein, wie ich, bewußt,
Der hält mich wohl am höchsten.

Graf
Ich nenne mich zwar keusch und rein
Und rein von bösen Fehlen;
Doch muß ich hier gefangen sein
Und muß mich einsam quälen.
Du bist mir zwar ein schönes Bild
Von mancher Jungfrau, rein und mild.
Doch weiß ich noch was Liebers.

Nelke
Das mag wohl ich, die Nelke, sein
Hier in des Wächters Garten,
Wie würde sonst der Alte mein
Mit so viel Sorge warten?
Im schönen Kreis der Blätter Drang,
Und Wohlgeruch das Leben lang,
Und alle tausend Farben.

Graf
Die Nelke soll man nicht verschmähn,
Sie ist des Gärtners Wonne;
Bald muß sie in dem Lichte stehn,
Bald schützt er sie vor Sonne;
Doch was den Grafen glücklich macht,
Ist nicht die ausgesuchte Pracht:
Es ist ein stilles Blümchen.

Veilchen
Ich steh verborgen und gebückt
Und mag nicht gerne sprechen,
Doch will ich, weil sichs eben schickt,
Mein tiefes Schweigen brechen.
Wenn ich es bin, du guter Mann,
Wie schmerzt michs, daß ich hinauf nicht kann
Dir alle Gerüche senden.

Graf
Das gute Veilchen schätz ich sehr:
Es ist so gar bescheiden
Und duftet so schön; doch brauch ich mehr
In meinen herben Leiden.
Ich will es euch nur eingestehn;
Auf diesen dürren Felsenhöhn
Ists Liebchen nicht zu finden.

Doch wandelt unten, an dem Bach,
Das treuste Weib der Erde
Und seufzet leise manches Ach,
Bis ich erlöset werde.
Wenn sie ein blaues Blümchen bricht
Und immer sagt: Vergiß mein nicht!
So fühl ichs in der Ferne.

Ja, in der Ferne fühlt sich die Macht,
Wenn zwei sich redlich lieben;
Drum bin ich in des Kerkers Nacht
Auch noch lebendig blieben.
Und wenn mir fast das Herzt bricht,
So ruf ich nur: Vergiß mein nicht!
Da komm ich wieder ins Leben.



The Flower Beautiful
Johann Wolfgang von Goethe

Song of the imprisoned Count

Count
I know a beautiful flower
And bear for it such longing;
I would gladly go in search of it,
If only I were not imprisoned.
The pains I feel are hardly slight;
For, as I walked in freedom,
I had it there close by.

From this steep and curving castle
I let my eyes sweep overland
But, from the height of towers,
My gaze does not reveal it;
Whoever would bring it to my sight,
Be it knight or serf,
I would ever be to him indebted.

Rose
I bloom in beauty and hear this
Here below your bars.
You mean me, the rose, most certainly,
You poor and noble Knight!
You have indeed so high a mind,
The queen of flowers must also rule
Surely, within your heart.

Count
Your scarlet is worthy of every honour
In that green overmantle;
Of such may a maiden well desire
Like gold and precious jewels.
Your garland enhances the loveliest face;
Only, you are not the flower
That I worship in my heart.

Lily
Such proud customs has the rose
And strives always for perfection;
Yet a dearly loved one will also
Praise the lily's grace.
Whosever heart would beat in loyal breast
And knows, like me, the purity within,
She would surely set me highest.

Count
I call myself chaste and pure
And free of wicked faults;
Yet here must I be imprisoned
And must endure my pain alone.
To me, you are a truly lovely picture
Of many a maid, pure and mild.
But yet I know of something better.

Carnation
That may well be me, the carnation,
Here in the warder's garden,
For what other reason would my old one
Tend me with so much care?
In the beauteous circle of enclosing leaves
And a lifelong pleasant perfume
And several thousand colours.

Count
The carnation shall not be disdained,
It is the gardener's joy;
Now it must be placed in light
Then must he protect it from the sun;
But what makes the count so happy
Is not exquisite splendour:
It is a tranquil flower;

Violet
I stand bent and hidden
And do not speak so lightly,
But, because it is now so becoming, I want
To break my modest silence.
If it be me, you dear, good man,
It pains me much that I cannot
Send you every perfume.

Count
The good violet is very dear to me:
It is so modest
And wafts the dearest scent; but I need more
In my bitter sorrows.
I will admit to all;
Upon this barren and mocking rock
My dearest may not be found.

Yet, down below, by the brook
Walks the truest woman on earth
And sighs so many softest woes,
Until I be released.
When she picks a little blue flower
And says always: "Forget me not",
I feel myself transported.

Yes. From far away, one feels the power,
When two sincerely love each other;
For this, I was cast in the night of dungeons,
Yet still remained amongst the living.
And when my heart is almost breaking
I call out simply: "Forget me not",
And thus, return again to life.

Translation: © David Paley